
Die Überbelastung von Sportlern ist zurzeit in aller Munde. Im Handball hat Christian Dissinger mit seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft den Stein ins Rollen gebracht. Badboys-Handball.com-Experte Henning Fritz hat sich mit dem Thema aus der Sicht eines ehemaligen Profi-Sportlers auseinandergesetzt.
Liebe Handball-Freunde,
der Handball-Alltag ist mit der Bundesliga, Pokal und Champions-League wieder eingekehrt. Nach den ersten Spieltagen grüßen die üblichen Verdächtigen von der Spitze. Für mehr Aufsehen haben da schon die Aussagen von einigen deutschen Nationalspielern gesorgt. Allen voran Christian Dissinger hat mit seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft für viel Aufsehen auch außerhalb des Handball-Universums gesorgt.
Alle Jahre wieder die gleiche Diskussion
Für mich ist das Thema der (Über-) Belastung im Handball leider nicht wirklich neuartig. Schon Anfang der 2000er, als die Champions-League auf 40 Mannschaften aufgebläht wurde, entwickelte sich eine ähnliche Diskussion. Die Zeit zeigt, dass sich seither scheinbar wenig verändert hat und alle beteiligten Akteure der Thematik ähnlich ratlos gegenüberstehen wie zu meiner aktiven Zeit.
Ein Lösungsansatz für den überladenden Spielplan scheint auch weiterhin nicht in Sicht und auch ich sehe in naher Zukunft keine ernsthaften Alternativen. Dazu gibt es einfach zu viele Interessenskonflikte. Auf internationaler Ebene stehen sich allen voran nationale Verbände und Ligen gegenüber, deren unterschiedlichen Ansprüchen an Termine und Spielpläne sich schwer vereinbaren lassen. Für die Vermarktung des „Produkts“ Handball und die Sponsoren kann es natürlich gar nicht genug Spiele geben. Die Spieler selbst stehen oft erst am Ende dieser Gleichung.
Spieler in der Zwickmühle
Wenn der Druck und die Belastung zu groß wird konzentrieren sich die Spieler natürlich darauf weiterhin Geld zu verdienen. Das Sportler-Dasein lässt einem da wenig Wahlmöglichkeiten. Und da steht der Verein nun mal vor der Nationalmannschaft. Bei der Verletzungshistorie von Christian Dissinger kann ich es nachvollziehen, dass er beim THW Kiel nicht den Anschluss verlieren und seine Karriere nicht aufs Spiel setzen will. Da muss man als Spieler Prioritäten setzen.
Allerdings müssen solche Fälle wie der des Christian Dissinger meiner Meinung nach individuell betrachtet werden. Viele Spieler profitieren von der Nationalmannschaft und ihren Erfolgen und treiben so ihren Marktwert nach oben bzw. werden zu nationalen Gesichtern ihrer Sportart. Das verpflichtet die Spieler ein Stück weit auch in der Nationalmannschaft anzutreten und ihre Leistung abzurufen.
Nationalmannschaft darf nicht an Wert verlieren
Der Weg über den Boykott der Nationalmannschaft oder großen Turnieren wie WM oder EM ist für mich der falsche Weg, um der Überbelastung durch den Spielplan entgegenzuwirken und kann nicht die Lösung sein. Letzten Endes schadet so ein Boykott dem Image der Sportart und Institutionen wie die EHF oder IHF werden durch den Streik von drei oder vier Spielern bei großen Turnieren nicht ein ganzes System in Frage stellen. Eine „Revolution“ der Spielpläne muss von einer höheren Ebene, wie den Verbänden oder Ligen, ausgehen.
Die Popularität des Handballs steht und fällt weiterhin mit dem Erfolg der Nationalmannschaft. Deshalb will ich in der Nationalmannschaft weiterhin die besten deutschen Spieler sehen. Für die meisten Spieler ist es ohnehin eine Ehre ihre Nation auf dem Spielfeld zu vertreten. Die Jungs sind heiß darauf bei den großen Turnieren mitspielen zu dürfen. Aktive Spieler sollten nicht vor die Entscheidung gestellt werden müssen, ob sie weiterhin auch in der Nationalmannschaft antreten wollen. Vor allem nicht in einem so jungen Alter.
Euer Henning