
badboys-handball.com: Herr Brand, Sie sind kürzlich aus Rio nach Hause zurückgekehrt. Wie haben Sie die Olympischen Spiele erlebt?
Heiner Brand: Im Vorhinein wurde ja viel über die Probleme berichtet, die Rio mit der Austragung der Olympischen Spiele hat. Diese sind mir allerdings während der Zeit, die ich dort verbracht habe, nicht wirklich bewusstgeworden. Ein heiß diskutiertes Thema war ja zum Beispiel die Wasserqualität für die Kanuten oder Ruderer. Da sind die Sieger am Ende sogar selbst ins Wasser gesprungen.
Frage: Wie war es die Olympischen Spiele nicht als Trainer oder Spieler, sondern aus der Rolle des Zuschauers zu erleben?
Brand: Man versucht natürlich einige Dinge und Sportwettbewerbe mitzunehmen und zu sehen, die man sonst nicht so einfach erleben konnte. Das ist wunderbar. Einzig die langen Wege als Tourist waren in Rio oftmals etwas anstrengend. Da war man schon mal eine Stunde zu Fuß unterwegs, wenn man aus dem Taxi oder Bus ausgestiegen ist, bis man bei einem Event war. Eine andere Sache waren die Zuschauerzahlen in den Stadien. Die waren teilweise nicht mal dreiviertel voll. Das war etwas enttäuschend.
Frage: Ein Highlight aus deutscher Sicht war das Abschneiden der Bad Boys. Was halten Sie von dem Auftreten der Mannschaft?
Brand: Ich bin sehr zufrieden, wie sich das deutsche Team in Rio präsentiert hat. Natürlich gab es auch ein paar Rückschläge, aber damit muss man rechnen. Wenn man ein Blick auf das Alter der Jungs wirft, sieht man, dass die besten Jahre noch vor ihnen liegen.
Frage: Ist für Sie ein Spieler durch seine Leistung während des Turniers aus dem Team herausgestochen?
Brand: Das ist schwierig zu sagen. Uwe Gensheimer hat seine Chancen gut genutzt, die sich ihm bzw. den Außen durch das 7 gegen 6 Spiel eröffnet haben. Auf diese neue Regel war die deutsche Mannschaft übrigens meiner Meinung nach am besten vorbereitet. Durch die vielen Überzahlsituationen werden andere Qualitäten von den Spielern verlangt. Da trifft der Mittespieler meist die Entscheidung und die Halb- bzw. Außenspieler brechen dann durch. Das hat ein Julius Kühn über weite Strecken auch sehr gut gemacht. Seit der EM hat er nochmal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Natürlich unterliegt seine Leistung auch noch gewissen Schwankungen, aber das wirkt sich bei so einem Kader nicht wirklich aus.
Frage: Nach dem Weltmeistertitel 2007 reichte es für Deutschland nicht mehr für den ganz großen Wurf. Jetzt scheint man wieder in der Weltspitze angekommen zu sein. Was hat sich in den letzten Jahren geändert?
Brand: Da muss man die Arbeit von Martin Heuberger, Markus Baur und Christian Schwarzer loben! Die gute Nachwuchsarbeit des DHB macht sich spätestens jetzt bemerkbar. Außerdem haben die Spieler viel am individuellen Spiel und im Kraftbereich gearbeitet, wo gerade früher noch ein paar Defizite herrschten. Aber auch die Werte des Mannschaftssports und die generelle Einstellung zum Sport ist bei den Spielern vorbildlich und wird gut umgesetzt. Dazu kommt mit Dagur Sigurdsson ein Trainer, der vieles richtig macht und einfach zum Team passt.
Frage: Neben dem Erfolg im Nachwuchsbereich nehmen immer mehr deutsche Nationalspieler bereits im jungen Alter auch in ihren Vereinen eine zentrale Rolle ein. Was hat sich hier verändert?
Brand: Das kann ich auch nicht genau sagen. Ich habe mich ja 15 Jahre, während meiner Zeit als Trainer der Nationalmannschaft, genau über dieses Thema, dass jungen deutschen Spielern in ihren Vereinen zu wenig Vertrauen geschenkt wird, aufgeregt. Aber zu der Zeit hat man eher auf mittelmäßige ausländische Spieler gesetzt, als dem deutschen Nachwuchs die Chance und Eingewöhnungszeit zu geben. Jetzt haben die Vereine einen Punkt erreicht, an dem man gar nicht mehr über diese Situation nachdenkt, sondern automatisch den Nachwuchs integriert.
Frage: Hat Deutschland nun die Chance über Jahre hinweg um die verschiedenen Titel mitzuspielen?
Brand: Die Jugend und auch die Breite des Kaders habe ich ja bereits angesprochen. In Rio waren ja nicht einmal alle Spieler dabei, die Anfang dieses Jahres Europameister wurden. Ein Kohlbacher, Ernst und Co. werden da weiter Druck aufbauen und dafür sorgen, dass die Leistungsdichte in der Nationalmannschaft weiterhin sehr hoch bleibt. Dazu kommt das gerade erwähnte Umdenken der Bundesligavereine auch auf junge deutsche Talente zu bauen. Das sind natürlich sehr gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft. Die anderen Nationen wie Frankreich, Polen oder Dänemark müssen da natürlich erstmal nachziehen.
Frage: Ein heiß diskutiertes Thema waren während den Olympischen Spielen auch die neuen Regeln, vor allem die Regel zum 7. Feldspieler. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Brand: Diese Regel war so sicherlich nicht gewünscht. In der Außendarstellung wirkt es sicherlich professioneller, wenn ein Spieler nicht mehr mit einem zerschnittenen Leibchen mit aufgemalter Nummer rumläuft, aber die Regel wurde nicht zu Ende gedacht. In der jetzigen Situation ist plötzlich fast nur noch Entscheidungstraining gefragt. Die Regeländerung verändert den Charakter des Handballs und muss deshalb schnellstmöglich wieder rückgängig gemacht werden. Handball sollte mit sechs Feldspielern gespielt werden und der Torwart sollte im Tor bleiben, das ist meine Meinung.